Schielerkrankungen

02.09.2022
  1. Start
  2. Schielerkrankungen

Was versteht man unter Strabismus (Schielen)?

Bei einem Strabismus (Schielen) liegt eine Störung des fein austarierten Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Augenmuskeln vor. Oder aber es liegt eine defekte oder fehlende motorische Koordination der beiden Augen vor. Oftmals denkt man bei Schielen an eine stark vom Normalfall abweichende Stellung der Augen – es gibt aber verschiedene Abstufungen und Schweregrade eines Strabismus. Milde Formen sind auf den ersten Blick teilweise gar nicht erkennbar und werden erst bei entsprechenden Tests sichtbar und diagnostiziert.

Es werden dabei eine primäre von einer sekundären Form unterschieden: Ein primärer Strabismus tritt eigenständig ohne vorangehende Krankheitsgeschichte auf, während ein sekundärer Strabismus eine Nebenerscheinung einer anderen meist ophthalmologischen Erkrankung darstellt. Auch die Schielrichtung ist relevant zur Bestimmung der Art der Schielerkrankung. Es wird differenziert zwischen einer Exotropie (Aussenschielen), einer Esotropie (Innenschielen) und einer Vertikaltropie (Höhenschielen). Als Begleitschielen bezeichnet man einen Strabismus bei dem der Sehwinkel in alle Blickrichtungen etwa gleich gross ist.

Des Weiteren kann eine Einteilung nach dem Schweregrad des Schielens gemacht werden, wobei ein manifester von einem latenten Strabismus abgegrenzt wird. Im Folgenden soll auf diese beiden Schielformen genauer eingegangen werden.

Manifester Strabismus

Bei einem manifesten Strabismus (Heterotropie) handelt es sich um eine ständige Abweichung des betroffenen Auges, die sich nicht durch Ausgleich des anderen Auges beheben lässt – normalerweise findet zwischen den beiden Augen ein stetiger Informationsaustausch statt, was beim gesunden Auge zu konsensuellen (aufeinander abgestimmten) Reaktionen führt. Ein solcher Ausgleich ist aber natürlich nur bis zu einem gewissen Grad und einer bestimmten Ausprägung eines Strabismus möglich. Zu den häufigsten Arten eines manifesten Strabismus gehören:

  • Frühkindliches Schielsyndrom (kongenitale Esotropie)

    Das Schielen beginnt häufig vor dem 6. Lebensmonat und ist nach aktuellem Stand der Forschung auf eine zentrale Entwicklungsstörung des binokularen Sehens zurückzuführen. Oft kommt es dabei zu einem Innenschielen mit latenten Nystagmus (unkontrollierte, rhythmische Augenbewegungen). In dieser Kreuzfixation wechseln sich die beiden Augen zu Beginn in der Führung ab. Je weiter sich der Strabismus jedoch entwickelt – und insbesondere bei der vollständigen Ausbildung des visuellen Systems im ersten bis dritten Lebensjahr – desto eher steigt die Gefahr einer Amblyopie-Entwicklung. Eine Amblyopie beschreibt die Situation, in der ein Auge vom „stärkeren“ Auge supprimiert wird – das schwächere Auge wird dadurch weniger benutzt und kann bis zu einem gewissen Grad verkümmern. Aufgrund dieser Kreuzfixation und unvollständigen Ausbildung des binokularen Sehens ist das räumliche Sehen meist gar nicht oder nur schwach entwickelt. Aufgrund dieser Umstände und der potentiellen Komplikationen, werden Kinder meist im Vorschulalter bereits operiert – eine komplette Heilung ist zwar nicht möglich, oft kann aber eine signifikante Verbesserung erzielt werden.

  • Normosensorisches Spätschielen

    Wie der Name Spätschielen bereits vermuten lässt, tritt diese Form des manifesten Strabismus später als das Frühkindliche Schielsyndrom auf, nämlich nach der Entwicklung des binokularen Sehens (das heisst nach dem zweiten bis dritten Lebensjahr). Diese Variante tritt häufig relativ plötzlich auf und wird charakterisiert durch das Sehen von Doppelbildern. Auch hier beginnt das Gehirn als Reaktion darauf relativ rasch das schielende Auge zu supprimieren – was dann ebenfalls zu einer Amblyopie führen kann. Deswegen sollten Kinder möglichst bald nach Auftreten der Problematik operiert werden, bevor entsprechende Folgen persistieren können.

  • Mikrostrabismus

    Bei dieser Art des einseitigen Schielens handelt es sich um einen sehr kleinen Schielwinkel (< 5°) kombiniert mit abnormaler retinaler Korrespondenz (Reaktion der Netzhaut) – dies betrifft ca. 15% aller schielenden Kinder. Aufgrund des sehr kleinen Schielwinkels wird diese Form oft erst sehr spät (Zeitraum des Schuleintritts) diagnostiziert. Viele Komponenten des Sehens konnten sich zwar mehr oder weniger ausreichend entwickeln, jedoch liegt aufgrund der Späterkennung meist schon eine stark manifestierte Amblyopie vor.

Latenter Strabismus

Im Gegensatz dazu ist beim latenten Strabismus (Heterophorie) eine solch synchronisierte Bewegung (Fusion) möglich – das schielende Auge kann durch das gesunde Auge kompensiert werden und die abweichende Augenstellung wird nur dann sichtbar, wenn die Fusion verhindert wird (zum Beispiel durch Abdeckung des gesunden Auges). Der latente Strabismus ist weit verbreitet – etwa 70% der Menschen sind davon betroffen, jedoch in unterschiedlicher Ausprägung. Dies betrifft alle Menschen, deren Sehachsen nicht komplett parallel sind. Häufiger als nach innen tritt dabei eine Abweichung des schielenden Auges nach aussen auf (Exophorie).

Differentialdiagnosen

Neben den verschiedenen Arten des Strabismus die unterschieden werden, gibt es auch verschiedene Ursachen für vermeintliches Schielen – einen Strabismus, der in Wirklichkeit keiner ist:

  • Unter dem sogenannten „scheinbaren Schielen“ versteht man den Eindruck der unter Umständen bei Säuglingen und Kleinkindern entsteht. Aufgrund des verbreiterten Nasenrückens ist mehr Sklera-Weiss zu sehen, was den Eindruck erweckt, die Augen würden schief stehen.

  • Auch ein Lähmungsschielen (inkonkominantes Schielen) ähnelt einem Strabismus. Die Ursache dafür ist hierbei jedoch eine Lähmung der Augenmuskeln, wobei die Abweichungsrichtung nach dem konkreten, ausfallenden Muskel richtet. Der Schielwinkel variiert in dabei sehr stark. Als charakteristisches Merkmal einer solchen Lähmung zeigt sich oftmals eine kompensatorische Kopfhaltung – dies wirkt den, durch die Lähmung, entstehenden Doppelbildern entgegen.

  • Unter einem sekundären Begleitschielen versteht man sodann einen Strabismus oder dergleichen, der sekundär – als Nebenerscheinung einer anderen Erkrankung – auftritt. Dazu kann es beispielsweise im Rahmen einer Netzhautablösung (Amotio retinae), eines Retinoblastoms, bei einer Frühgeborenenretinopathie, einer Erkrankung der lichtbrechenden Augenstrukturen (kongenitaler Katarakt, Hornhauttrübungen), bei Augenliderkrankungen oder ähnlichem kommen.

Symptome und Therapie des Strabismus

Handelt es sich beim konkreten Strabismus nur um ein leichtes Schielen, wird dieses häufig entweder gar nicht, sehr spät oder nur per Zufall entdeckt. Doppelbilder sind dabei nicht als klare und verlässliche Symptome zu betrachten, da sie nur in seltenen Fällen – dafür umso häufiger bei Übermüdung und unter Alkoholeinfluss – auftreten. Als Indizien gelten dabei Symptome wie häufige Kopfschmerzen und schnelle Ermüdbarkeit durch die Refraktion (Scharfstellen des Auges). Nur schon geringfügige Korrekturen können die Beschwerden lindern – unter Umständen erweist sich die Verwendung von Prismagläsern als nützlich. Nur in sehr seltenen Fällen hingegen ist ein operativer Eingriff notwendig.

Für weitere Fragen und Informationen stehen Ihnen die Spezialisten des Augenärzte Zentrum Aarau gerne beratend zur Seite. Auch bei der Abklärung ophthalmologischer Probleme oder Befunde sind wir gerne für Sie da.